Samstag, 8. Februar 2014

Ich bin schön

Ich bin schön. Das weiß ich deshalb, weil es mir ständig jeder sagt. Immer wenn wir in die Stadt gehen bleiben alle Leute stehen und sind ganz entzückt von meinem äußeren Erscheinungsbild. Die Leute bewundern meine schönen großen Ohren, die perfekten Konturen meiner schwarzen Maske um die Augenpartie herum, die ein wenig an den Superhelden „Batman“ erinnert, von meinen langen Beine und natürlich lieben sie meine hypnotisierenden dunklen runden Knopfaugen. Mal abgesehen davon, dass Hunde meiner Art gerade voll im Trend liegen, bin ich ein besonders gelungenes Exemplar. Ich muss selten etwas dafür tun, um Streicheleinheiten oder Leckerlies zu bekommen. Jeder will mich anfassen und fotografieren. Fotos von mir mag ich besonders gern.  Nahezu jedes Bild von mir ist ein Volltreffer. Ich bin äußerst präsent von der Kamera, halte auch in den unmöglichsten Posen still,, kurz gesagt: Die Kamera liebt mich. Ich bin gesegnet. Und außerdem heiße ich Bella. Wie passend J Umso mehr wundere ich mich über den durchaus seltsamen Move meiner Herrchen - apropos, eigentlich mag ich das Wort nicht so gerne, es klingt, als würden die über uns stehen, was ja de facto nicht stimmt. Ich bevorzuge also im Folgenden lieber den Ausdruck „Menschen“, denn das ist nun mal das, was sie sind. Also nochmal: den seltsamen Move meiner Menschen, das neue Rudelmitglied „Hilde(gard)“ zu nennen. Was zur Hölle haben die sich dabei gedacht? Soll das etwa lustig sein?! Ich meine, man macht doch keine Witze auf Kosten eines Rudelmitglieds, oder etwa doch?! Mir fallen auf Anhieb tausend schöne Namen ein, Donna, Stella, Scarlett…aber Hilde????? Ich verstehe das nicht. Klar, Hilde ist nicht unbedingt die Hübscheste. Sie hat schiefe Zähne, ein ausgeprägtes Übergebiss, einen Knick im Schwanz, ein verknorpeltes Ohr…naja, okay, sie ist wirklich nicht schön…Aber wenigstens ein Betty, Puppy oder Nelly wäre doch wohl drin gewesen. Ich wusste gar nicht, dass die Menschen so sehr auf Äußerlichkeiten achten. Aber umso mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Alltagsbeispiele finde ich für ihre Oberflächlichkeit. So darf ich zum Beispiel jede Nacht schön im beheizten Wasserbett schlafen, während Hilde auf dem Boden liegen muss. Ich darf auch immer zuerst fressen, Hilde bekommt vermutlich danach nur Reste, die keiner will. Auch darf ich beim Autofahren vorne sitzen – Hilde bleibt im Kofferraum. Schöne Lebewesen scheinen in jeder Hinsicht privilegiert zu sein, und die weniger Schönen müssen am Rande des Rudels klar kommen. Was bin ich froh, dass ich schön bin. Und doch leide auch ich unter Hildes Namen.
Die Menschen sollten sich mal Gedanken darüber machen, wie dämlich es klingt, wenn sie quer über die Wiese „Bella, Hilde, hiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeer!“ rufen. Nicht, dass dieses langgezogene „hiiiiiiiiier“ von Frauchen sowieso schon total peinlich ist. Aber Bella und Hilde in einem Satz, ohne trennendes  Bindewort?!?! Das ist doch ein Gegensatz wie Rindfleisch und Gurke. Bleibt nur zu hoffen, dass einmal der Nachwuchs der Menschen ähnlich schön sein wird, wie ich es bin. Dann klappt das auch bestimmt mit einem schönen Namen. Ich werde jedenfalls mein Bestes geben, ein neues Rudelmitglied nie nach dem Äußerem zu beurteilen – solange ich die Schönste bin. 

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